LS Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde Universität Würzburg

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Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde

 

Prof. Dr. rer. nat. Jürgen Groll

 

Pleicherwall 2

97070 Würzburg

Tel.: 0931/201-72610

Fax: 0931/201-73500

E-mail: office@fmz.uni-wuerzburg.de

www.fmz.uni-wuerzburg.de

 

 

Aufgaben und Struktur

Der Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde ist ein Materialforschungslehrstuhl, der in den Zahnkliniken angesiedelt ist. Aufgaben der Abteilung sind die Verbesserung und Optimierung bestehender und vor allem die Neuentwicklung innovativer biokompatibler und biofunktionaler Materialien und Werkstoffe für Anwendungen in der biomedizinischen Grundlagenforschung sowie im klinischen Bereich. Dementsprechend arbeitet am Lehrstuhl ein interdisziplinäres Team aus Biologen, Chemikern, Physikern und Werkstoffwissenschaftlern zusammen mit klinischen Anwendern und verschiedenen universitären Kooperationspartnern an der Realisierung des Abteilungsleitbildes „Höhere Lebensqualität durch innovative Materialien“. Die Forschungsarbeiten orientieren sich jeweils an den anwendungsortabhängigen Anforderungen und gliedern sich in die fünf Schwerpunkte maßgeschneiderte Biogrenzflächen, bioaktive anorganische Gerüste, Nano-Biotechnologie, künstliche Extrazellulärmatrix und (mikro-)biologische Testung. Die Arbeiten der Abteilung wurden in den letzten beiden Jahren und werden derzeit vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung des Universitätsklinikums Würzburg, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Europäischen Union (FP7) finanziell unterstützt.

 

Lehre

Die Lehraktivität umfasst Vorlesungen zu Werkstoffen für die Anwendung im menschlichen Körper sowie deren Wechselwirkungsmechanismen mit dem biologischen Umfeld, Lehrveranstaltungen über Qualitätsmanagement-Systeme und Risikoanalysen von Medizinprodukten, die Anwendung von Röntgenstrahlen am Menschen sowie praxisorientierte Messtechniken für die Werkstoffanalytik. Zielgruppen sind Studenten der Zahnheilkunde, des Masterstudiengangs Biomedizin sowie - fakultätsübergreifend - Studenten der Nanostruktur-technik und Studenten des Bachelor- und Masterstudienganges Technologie der Funktionswerkstoffe.

 

 

Forschungsschwerpunkte

 

Maßgeschneiderte Biogrenzflächen

Die Biokompatibilität eines Werkstoffs geht von der Oberfläche aus und wird durch deren Zusammensetzung, elektrische und elektronische Eigenschaften, ihre Topographie sowie die biochemische Aktivierung beeinflusst. Aktuell beforscht wird die Modifikation metallischer Implantatoberflächen aus Refraktärmetallen mit geringkristallinen Calcium- und Magnesiumphosphat-Schichten durch elektrochemische Abscheidung. Ein Ziel dieser Arbeiten ist die Entwicklung neuartiger Mehrphasenbeschichtungen, die bakterizide und biokompatible Eigenschaften kombinieren und damit sowohl das Infektionsrisiko nach der Operation senken als auch das Einwachsen des Implantats unterstützen können. Weiterhin werden zwei Methoden der Physikalischen Dampfphasenabscheidung (Lichtbogenverdampfung und Magnetron-sputtern) am Lehrstuhl zur Beschichtung metallischer Oberflächen genutzt. Als Beschichtungsmaterialien kommen Refraktärmetalle wie Titan und Tantal sowie deren Oxide und Nitride zum Einsatz. Durch die Kombination beider PVD-Verfahren, die in der größeren der beiden zur Verfügung stehenden Anlagen verwirklicht ist (Abbildung 1), lassen sich auch Schichtsysteme entwickeln, die durch die Inkorporation entsprechender Ionen mit speziellen bioaktiven bzw. antimikrobiellen Eigenschaften versehen werden können.

 

Bioaktive Anorganische Gerüste

Die Entwicklung keramischer Trägerstrukturen für den Knochenersatz erfolgt am Lehrstuhl aus reaktiven Mischungen von Calcium- und Magnesiumphosphaten, die nach Zusatz einer wässrigen Phase einer Zementreaktion unterliegen und so ohne Sinterung ein strukturell stabiles Implantat bilden. Die Kombination dieser reaktiven Zementsystemen mit dem 3D-Pulverdruck erlaubt die Herstellung patientenspezifischer Implantate sowie porösen Trägerstrukturen für die Geweberegeneration aus bioaktiven und resorbierbaren Knochenersatzmaterialien. Die durch dieses Verfahren hergestellten Strukturen bestehen aus einem mikroporösen Gefüge, was zur Bioaktivität des Materials beiträgt.

Die Herstellung durch das Druckverfahren bei Raumtemperatur bietet zudem die Möglichkeit zusätzlich organische Modifikationen in den Werkstoff einzubringen. Neuere Arbeiten beschäftigen sich daher mit dem Einsatz mikroporöser CaP-Werkstoffe als Träger für bioaktive Substanzen. Durch Verwendung eines Mehrkomponenten-Druckers kann gleichzeitig ortsaufgelöst die Modifikation von Strukturen mit diesen Wirkstoffen erfolgen, um sowohl eine ortsgerichtete biologische Reaktion als auch eine Steuerung der Freisetzungskinetik zu erreichen. So können etwa Antibiotika oder Wachstumsfaktoren direkt mit in die Struktur gedruckt werden, damit am Anwendungsort "Hartgewebe" die kontrollierte Freisetzung pharmakologisch wirksamer Mengen ohne systemische Nebenwirkungen ermöglicht wird. Neben dem Einsatz Proteinbasierter Wachstumsfaktoren wird auch die Ausstattung der Keramiken mit bioaktiven Ionen wie beispielsweise Sr2+ oder Cu2+ erforscht. Diese bieten den Vorteil einer einfacheren Verfügbarkeit und Handhabbarkeit.

 

Nano-Biotechnologie

Nanopartikel sind groß genug, um biologisch aktive Substanzen aufzunehmen und zu transportieren, aber auch klein genug, um von Zellen aufgenommen zu werden und aktive biologische Transportprozesse zu benutzen. Dies eröffnet ein enormes Potential zum gesteuerten Transport speziell empfindlicher Wirkstoffe über Barrieren im Körper in das Zielgewebe.

Am Lehrstuhl werden Nanopartikel für unterschiedliche Zwecke erforscht. Zum einen stellen systematische grundlegende Studien zum Einfluss von Form, Größe und Oberflächenchemie der Nanopartikel auf die Wechselwirkung mit Zellen einen Kernbereich dar. Jüngere Forschungen zeigten hier eine Möglichkeit auf, wie durch geringe Änderungen der Oberflächenchemie von Nanopartikeln das Verhalten von menschlichen Immunzellen beeinflusst werden kann. Dies eröffnet die Möglichkeit der Einflussnahme auf Entzündungs- und Heilungsprozesse beispielsweise nach Implantationen.

Ein spezielles Arbeitsfeld bilden kolloidale partikuläre Hydrogele, sogenannten Nanogele, da diese durch ihre hydrophile Natur und den hohen Wassergehalt ideal zur Aufnahme biologischer Makromoleküle geeignet sind (Abbildung 2). Die Nanogele werden sowohl durch inverse Emulsionstechniken als auch durch eine Kaskadenreaktion aus Selbstanordnung gefolgt von chemischer Vernetzung hergestellt. So führt beispielsweise die oxidative Vernetzung von thiofunktionalen Polymeren zu Nanogelen, welche im extrazellulären Raum im Körper stabil sind (zum Beispiel im Blut), nach Aufnahme in die Zielzelle im reduktiven Zellinneren jedoch schnell degradieren und eingeschlossene Wirkstoffe effizient freisetzen. Die Anwendung dieser speziellen Nanopartikel für den zielgerichteten Wirkstofftransport stellt einen momentanen Schwerpunkt der Forschungen dar.

 

Künstliche Extrazellulärmatrix

Zellen sind in ihrer natürlichen Umgebung von einer Matrix umgeben, welche das Überleben der Zellen ermöglicht und deren Adhäsion, Proliferation, Migration, Differenzierung und Funktion maßgeblich beeinflusst. Dabei spielen sowohl in diese sogenannte Extrazelluläre Matrix (EZM) reversible gebundene Faktoren als auch spezifisch wirkende Adhäsionsmoleküle eine entscheidende Rolle. Hauptkomponenten der EZM sind Hydrogele und nichtlösliche Polymerfasern, welche als mechanisches Gerüst dienen. Weiterhin sind Basalmembranen als ultradünne Trennschichten zwischen Geweben  ein wichtiges Strukturelement der EZM.

Eine Kernaktivität des Lehrstuhles besteht in der Erforschung und Herstellung von bioabbaubaren Materialien und Strukturen, welche die EZM in ihrer Morphologie, ihrer biochemischen Funktion und ihrem hierarchischen Aufbau bestmöglich nachahmen. Hierzu werden sowohl modifizierte Biopolymere als auch biokompatible funktionale Polymere als Bausteine für Beschichtungen, Hydrogele und Nanofaserkonstrukte hergestellt und verwendet. Zum Aufbau von Struktur und Hierarchie werden Methoden wie elektrostatisches Verspinnen und rapid-prototyping Techniken angewandt. So konnte in jüngeren Arbeiten eine neue und international einzigartige Methode entwickelt werden, mit denen sich Fasergerüste mit einer sehr einfachen Methode herstellen lassen, die sowohl in Struktur als auch in der biochemischen Beschaffenheit den Proteinfasern der EZM präzise nachempfunden sind (Abbildung 3). Die Anwendung dieser Faserstrukturen für biomimetische in vitro Zellkulturen und klinische Anwendungen wird derzeit intensiv erforscht.

 

(Mikro-)Biologische Testung

Dieser Schwerpunktbereich beschäftigt sich mit der Interaktion unterschiedlicher, prokaryotischer sowie eukaryotischer, hier zumeist humaner Zelltypen, sowohl primärer Zellen als auch Zelllinien, mit den Biomaterialien und Werkstoffen, die in den anderen Schwerpunkten des Lehrstuhles erforscht werden. Themen sind Zell-Oberflächen Wechselwirkungen in Abhängigkeit von den Oberflächeneigenschaften (Biochemie, Struktur, Mechanik) sowie gewebespezifische Zelldifferenzierungen, die Interaktion von Zellen mit Nanomaterialien, Kokultursysteme und die Charakterisierung von Zellen in dreidimensionalen Matrizes wie Gelen und Fasern.

Zudem ist dieser Plattform ein akkreditiertes und von der ZLG anerkanntes Testlabor angegliedert, in dem Zytokompatibilitätstests nach DIN EN ISO 10993-5 auch im Auftrag externer Kunden durchgeführt werden können.

 

Ausgewählte Publikationen

D. Grafahrend, K.-H. Heffels, M.V. Beer, P. Gasteier, M. Moeller, G. Boehm, P.D. Dalton, J. Groll: Degradable polyester scaffolds with controlled surface chemistry combining minimal protein adsorption with specific bioactivation. Nature Materials 2011, 10, 67-73.

 

A. Ewald, D. Hösel, S. Patel, L.M. Grover, J.E. Barralet, U. Gbureck. Silver-doped calcium phosphate cements with antimicrobial activity. Acta Biomaterialia 2011, 7, 4064-4070.

 

M. Bartneck, H. A. Keul, S. Singh, K. Czaja, J. Bornemann, M. Bockstaller, M. Möller, G. Zwadlo-Klarwasser and J. Groll: Rapid uptake of gold nanorods by primary human blood phagocytes and immunomodulatory effects of surface chemistry. ACS Nano 2010, 4 (6), 3073–3086.

 

E. Vorndran, U. Klammert, A. Ewald, JE Barralet, U Gbureck. Simultaneous Immobilization of Bioactives During 3D Powder Printing of Bioceramic Drug-Release Matrices. Adv. Funct. Mat. 2010, 20(10), 1585-1591.

 

K. Albrecht, M. Moeller, J. Groll: Nano- and microgels through addition reactions of functional oligomers and polymers. Advances in Polymer Science 2010, 234, 65-93.

 

Abbildung 1: Anlage zur PVD Beschichtung von Implantatoberflächen
Anlage zur PVD Beschichtung von Implantatoberflächen

 

Abbildung 2: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Nanohydrogelpartikeln

Elektronenmikroskopische Aufnahme von Nanohydrogelpartikeln

 

Abbildung 3: Humane dermale Fibroblasten (grün) auf Fasern (rot), die mit dem Zelladhäsionspeptid RGD ausgerüstet und in eine dreidimensionale Hydrogelmatrix basierend auf Hyaluronsäure eingebettet sind.

Humane dermale Fibroblasten